Ein Spaziergang vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule

Die Vielzahl der Sehenswürdigkeiten im Herzen Berlins lassen sich auch bei einem Spaziergang erkunden. Unsere Autorin Ariane ist vom Brandenburger Tor durch den Tierpark bis zur Siegessäule gelaufen.

Zwischen Holocaust-Mahnmal und Reichstagsgebäude stehen wir im Brandenburger Tor und blicken die Straße des 17. Juni entlang Richtung Siegessäule. Ganz oben leuchtet die „Goldelse“ im türkisfarbenen Septemberhimmel. Da wollen wir rauf. Wir könnten jetzt den Bus nehmen oder eine der Fahrradrikschas, die hier auf Fahrgäste warten, oder einfach immer geradeaus laufen. Doch wir entscheiden uns für einen rund 45-minütigen Spaziergang durch den nördlichen Teil des Großen Tiergartens, entlang von Sehenswürdigkeiten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Bevor wir uns auf den Weg machen, wollen wir uns das Wahrzeichen der Hauptstadt genauer anschauen. Das einzige erhaltene Stadttor Berlins ist seit einigen Jahren für den Auto-, Bus- und Taxi-Verkehr geschlossen. Wir müssen also nur darauf achten, niemandem auf den Fuß zu treten und nicht in ein Fahrrad zu stolpern.

Es heißt, der nach Plänen von Carl Gotthard Langhans zwischen 1788 und 1791 errichtete klassizistische Sandsteinbau mit seinen fünf Durchgängen sei den Propyläen der Akropolis nachempfunden. In jedem der beiden Torhäuser rechts und links zieht eine große Steinskulptur unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es sind der römische Kriegsgott Mars und die Minerva, Göttin der Weisheit und Beschützerin der Dichter, Handwerker und Lehrer. Die geflügelte Wagenlenkerin mit Quadriga, ganz oben auf dem Tor, wurde 1793 von Johann Gottfried Schadow geschaffen. Von hier unten ist sie nur ausschnittweise zu sehen, und da ein Aufstieg auf das Tor für Besucher nicht vorgesehen ist, wirkt sie am besten von weiter weg.

Im von uns aus linken Seitenflügel befindet sich die „Berlin Tourist Info“. Hier kann man Hotels und Tickets buchen und jede Menge Berlin-Bücher, -Broschüren und sonstige Hauptstadt-Souvenirs kaufen. Im rechten Seitenflügel sozusagen das Gegenteil: der „Room of Silence“, „Raum der Stille“, der täglich zwischen 11 und 18 Uhr allen offen steht, die dem Trubel draußen für ein paar Momente entfliehen wollen und/oder die sich in aller Stille auf diesen besonderen Ort einlassen wollen.

Einen Schritt weiter, durch das Tor durch, und wir befinden uns auf dem „Platz des 18. März“. Der Name soll an die blutigen Kämpfe erinnern, die am 18. März 1848 zwischen Berliner Bürgern und preußischem Militär stattfanden. Sie sind als „Märzrevolution“ in die Geschichtsbücher eingegangen.

Wir halten uns leicht rechts, überqueren die Ebertstraße und nehmen den Simsonweg als Eingang in den Großen Tiergarten. Nach ein paar Metern sehen wir rechterhand, geschützt nur durch eine Milchglasscheibe mit eisernem Durchgangstor, das Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma. Wir treten durch das Tor und sind plötzlich in einer anderen Welt, voller Ruhe, voll klingender Ruhe…

Ganz in der Nähe befindet sich das Russische Ehrenmal. Um seine monumentale Wirkung zu spüren, wollen wir es durch den Haupteingang betreten. Dazu laufen wir noch ein paar Meter den Simsonweg entlang und biegen dann nach links ab, auf einen kleinen Weg, der in die Straße des 17. Juni mündet. Die berühmte Ost-West-Achse heißt so, weil der Berliner Senat am 22. Juni 1953 beschlossen hatte, damit an den Volksaufstand in der DDR zu erinnern, der ein paar Tage zuvor, eben am 17. Juni, von der Roten Armee blutig niedergeschlagen worden war. Nach ein paar Metern in Richtung Westen eröffnet sich rechterhand das sowjetische Krieger-Denkmal. Es wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut, um die im Krieg gefallenen Soldaten der Roten Armee zu ehren. Direkt hinter der gewaltigen Architektur aus Bronze und Stein lesen wir auf mehreren Tafeln die historischen Zusammenhänge nach. Am Ausgang halten wir uns links, überqueren die Yitzhak-Rabin-Straße und befinden uns wieder unter den Bäumen des Tiergartens.

Wir laufen die John-Foster-Dulles-Allee entlang. Kurz vor der „Schwangeren Auster“, dem Haus der Kulturen der Welt, ragt ein schwarz glänzender Glockenturm in den Himmel, das Carillon. Das Turmglockenspiel wurde 1987 auf Initiative des Musikers und Komponisten Jeffrey Bossin hier errichtet, um der beiden im Zweiten Weltkrieg zerstörten historischen Carillons (in der Parochialkirche und in der Potsdamer Garnisonkirche) zu gedenken, und um die alte Tradition des Carillonspielens wiederzubeleben. Von Mai bis September spielt der Carillonneur hier jeden Sonntag und an manchen Feiertagen Konzerte. Beginn ist immer um 15 Uhr, außer im Dezember, da schon um 14 Uhr. Zudem spielen die Glocken zweimal täglich computergesteuert, um 12 und um 18 Uhr. Von uns aus gesehen unmittelbar hinter dem Carillon liegt das „Tipi am Kanzleramt“, nach Eigenaussage „die größte stationäre Zeltbühne Europas“. Hier wird man „unabhängig von Koalitionskonstellationen und Wahlkampfdebatten“ ganzjährig unterhalten – mit Chansons, Varieté, Musical-Comedy, Entertainment- oder Zaubershows.

Wir nehmen den Weg links am Haus der Kulturen der Welt entlang. Das HKW ist heute wichtiges Forum für Kunst, Musik und aktuelle gesellschaftliche Diskurse. Regelmäßig finden hier internationale Festivals, Ausstellungen, Konzerte und Diskussionsveranstaltungen statt. Am Ende des kurzen Wegs geht es links ein paar Stufen hinauf, und schon stehen wir an der Spree. Und jetzt? Nach rechts (in den Biergarten des HKW) oder nach links (Richtung Schloss Bellevue)? Wir verzichten diesmal auf eine Berliner Weiße, obwohl die hier hervorragend ist, und flanieren am Bettina-von-Arnim-Ufer in Richtung Bellevue. Hin und wieder schippert ein Oberdeckschiff mit wild winkenden Passagieren vorbei. Der Blick auf das andere Spreeufer wird jetzt dominiert von der umstrittenen „Bundesschlange“, jenem gewundenen Backsteinbau ohne Balkone, in dem ursprünglich die aus Bonn umgesiedelten Bundestagsabgeordneten wohnen sollten. Die wenigsten Parlamentarier wollten aber hier einziehen, und so wohnen außer ihnen heute vor allem Familien mit Kindern in dem rund 500 Meter langen, schlangenförmigen Bau.

Und da stehen wir auch schon an der Lutherbrücke mit freier Sicht auf Schloss Bellevue, den Amtssitz des Bundespräsidenten. Wir wenden uns nach links und laufen ein kurzes Stück am mehrspurigen Spreeweg entlang, direkt auf die Siegessäule zu, die vor uns die Mitte des Verkehrskreisels namens „Großer Stern“ markiert. Wer lieber im Grünen laufen will, kann auch den kleinen Weg nehmen, der linkerhand parallel zur Straße verläuft. Von den insgesamt vier Treppen-Häusern, über die man die Fußgängertunnel zur Siegessäule erreicht, bietet sich uns „Haus B“ an, das an der Biegung des Großen Sterns liegt, die den Spreeweg mit der Straße des 17. Juni verbindet. Und jetzt nichts wie runter – und rauf!

Den Beginn des Spaziergangs erreicht man auch mit der Stadtrundfahrt Berlin. Dank Hop-On-Hop-Off steigt man an der Haltestelle „Brandenburger Tor“ aus und beginnt die Tour.