Hätten Sie es gewusst? In der sächsischen Stadt Leipzig gibt es 457 Brücken und Stege. Das sind mehr als in der italienischen Lagunenstadt Venedig, hier gibt es gerade mal 400. Insgesamt 176,4 Kilometer lang ist das Gewässernetz, was die Stadt durchzieht. Es besteht aus Flüssen, Bächen, Gräben und Kanälen. Unser Autor Christian hat sich einmal auf den Weg gemacht, die Leipziger Wasserwege genauer zu erkunden.
Auf Entdeckertour in Leipzig – per Bus…und per Boot?!
Es ist kurz vor 11 Uhr und ich stehe in der Goethestraße in Leipzig an der Haltestelle der Stadtrundfahrt Leipzig. In meiner Hand das Handy mit dem online gebuchten Ticket für die “Große Entdeckertour mit Bus und Boot”. Eine Stadtrundfahrt in der Großstadt, das ist nichts Neues. Aber Leipzig per Boot? Da bin ich neugierig geworden und wollte mir das gern einmal genauer anschauen. Die Buchung auf STADTRUNDFAHRT.com ging völlig unkompliziert: Einfach online die Stadt gewählt, dann die Tour und nach Online-Zahlung gab es auch sofort per E-Mail das Ticket für den gebuchten Ausflug. Hier nur kurz ein erster Zweifel: Fürs Ausdrucken der Buchungsunterlagen gab es im Hotel leider keine Möglichkeit. Wird man meine Buchung jetzt trotzdem akzeptieren oder fährt der Bus am Ende ohne mich los?
Direkt vor dem Doppeldecker erwartet mich ein junger Mann mit einer blauen Jacke und der Aufschrift “Stadtrundfahrt Leipzig”, der kann mir sicher helfen. Ein kurzer Blick in die E-Mail genügt, einfach das angehängte PDF mit der Bestellnummer und dem QR-Code vorgezeigt und dann erhalte ich auch schon mein persönliches, ausgedrucktes Ticket für Bus und Boot direkt vor Ort. Ein freundliches Lächeln und den Wunsch “Viel Spaß bei der Fahrt” gibt’s auch dazu. Das hat alles super geklappt, dann kann die Fahrt also beginnen.
Ich mache es mir gemütlich im Oberdeck des blau-gelben Doppeldeckers, die Sonne scheint und das Schiebedach ist offen. Was kann man sich mehr wünschen, so fühlt sich Urlaub an!
Industriedenkmäler und Natur
Nach einer persönlichen Begrüßung durch unseren Gästeführer und gebürtigen Leipziger Steffen rollt der Bus auch schon los Richtung Leipziger Hauptbahnhof. Anschließend geht es über den Augustusplatz, Deutschlands größten flächenmäßig größten Platz in einer Stadt, vorbei an Gewandhaus, Panorama-Tower, Oper, Moritzbastei, Johann-Sebastian Bachs Thomaskirche und dem Leipziger Zoo. Nach den Zwischenhalten am Gohliser Schlösschen (hier muss ich unbedingt später noch einmal vorbeischauen) und Schillerhäuschen geht es durch den Leipziger Auwald. Ich bin beeindruckt, wie grün Leipzig doch eigentlich ist. So eine zusammenhängende Waldfläche mitten in der Großstadt findet man auch nicht überall. Lauf Reiseführer erstreckt sich der Auwald über eine Länge von 35 Kilometern mitten durch die Stadt. Und hier lerne ich auch, dass viele Gebiete Leipzigs früher einmal sumpfiges Gebiet waren. Dieses wurde vom Unternehmer Karl Heine zu großen Teilen trockengelegt und die Gewässer kanalisiert. Da haben wir sie also, die Kanäle!
Zur Linken verweist Gästeführer Steffen dann auch auf ein Denkmal dieses Herrn Karl Heines, kurz bevor wir in den hübschen Stadtteil Plagwitz fahren. Hier sind die Straßen von anschaulichen Stadtvillen gesäumt, die zur Zeit der Industrialisierung von den Besitzern der umliegenden Fabriken errichtet wurden. Von diesen Anlagen selbst ist über die Zeit kaum etwas erhalten geblieben. Nur einige wenige Bauten sind nach einem Dornröschenschlaf als Industriedenkmäler mit neuer Nutzung wiederbelebt wurden. Doch wenn das passiert ist, dann um so beeindruckender! Wir kreuzen mit dem Bus den Kanal und ich sehe auf der linken Seite die sogenannten Buntgarnwerke, ein historischer Klinkerbau, der sich links und rechts des Wassers erstreckt und durch eine Brücke beide Gebäudeteile miteinander verbindet. Einst befand sich hier eine große Spinnerei, heute findet man hier exklusive Loftwohnungen. Steffen erzählt noch, dass es sich dabei um Europas größten Gebäudekomplex der Gründerzeit handelt. Schon schick anzuschauen und ein wunderbarer Fotospot! Gern hätte ich mir die Anlage noch ein wenig länger angesehen, aber da ist der Bus auch schon über die Karlbrücke rüber und biegt kurz danach in die Könneritzstraße ein. Wenig später kommt die Durchsage von Steffen “Wir erreichen unseren Halt ‘Klingerweg’. Gäste, die eine Bootstour gebucht haben, steigen hier bitte aus.” – was ich dann auch direkt tue.
Angekommen am Klingerweg
Beim Aussteigen gibt mir der Gästeführer noch einen kurzen Hinweis, wie es nun für mich zum Bootsanleger für die Kanalfahrt weitergeht. “Bitte einmal die Straßenseite wechseln und dann in unserer Fahrtrichtung dem Fußweg leicht links abbiegend folgen. Nach wenigen Minuten zu Fuß stehen Sie schon direkt am Bootshaus Klingerweg.” Wunderbar, Dankeschön! Dann werde ich das mal so machen.
Die Straße, die ich überquere, heißt wie die Haltestelle “Klingerweg”. Das ist doch schon einmal ein gutes Zeichen und weit kann es nun nicht mehr sein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkenne ich hinter einem blauen Zaun ein Beachvolleyballfeld und davor ein Hinweisschild vom Bootsverleih Klingerweg. Wie beschrieben folge ich baumgesäumten Weg in Fahrtrichtung des Stadtrundfahrtbusses und biege leicht links ab. Nach einem Fußmarsch von nur wenigen Gehminuten stehe ich vor einem schicken, historisch anmutenden Gebäude mit weißer Fassade, dunklen Dachschindeln und einem klinkerverzierten Sockel. Am Eingang steht “Bootshaus Klingerweg” und ich sehe die blaue Fahne der Stadtrundfahrt Leipzig. Hier bin ich richtig!
Direkt hinter dem Gebäude befindet sich der Bootsanleger, an dem zwei kleine Motorkähne festgemacht sind. Andere Fahrgäste haben es sich bereits an den Bänken am Steg und im Garten des Kanuvereins gemütlich gemacht und genießen die lauschige Atmosphäre hier. Unser Kapitän Holger begrüßt uns freundlich, kontrolliert unsere Tickets (Das habe ich ja glücklicherweise beim Einstieg in den Bus erhalten!) und dann können wir auf dem Boot Platz nehmen. Platz für maximal 20 Plätze hat so ein Kahn und wie ich sehe haben auch noch andere Leute den “Geheimtipp” mit der Bootstour durch Leipzig erhalten. Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt, dass ich auch noch einen Platz buchen konnte.
Leinen los und Schiff Ahoi
Pünktlich um 12:00 Uhr startet unser Boot gemächlich für die Fahrt entlang der Weißen Elster und des Karl-Heine-Kanals. Unser Bootsführer Holger begrüßt uns herzlich in Leipziger Mundart und berichtet uns während der Fahrt von der Entstehung und Entwicklung der städtischen Kanäle, erzählt von der Industrialisierung und wir erfahren mehr über die Bauten links und rechts des Ufers. Wir kommen zu einer leichten Biegung und durchfahren die Könneritzbrücke, eine schick anzuschauende Eisenbrücke von 1899 und heute ein technisches Denkmal. Das folgende Gebäude kommt mir sehr bekannt vor, nur dass wir es jetzt aus einem völlig neuen Blickwinkel sehen. Wir passieren die vorab schon beschriebenen Buntgarnwerke. Und nun, hier vom Wasser aus, ist dieses Bauwerk noch beeindruckender. Ausreichend Zeit zum Fotografieren bleibt nun auch.
Ein weiteres beliebtes Fotomotiv bei allen Fahrgästen auf dem Boot sind die Nutrias, die man immer wieder einmal links und rechts am Ufer sitzen oder sogar neben unserem Boot schwimmen sieht. Es ist richtig idyllisch hier, grün und ruhig. Schnell vergisst man, dass man sich mitten in der Großstadt befindet. Unsere Fahrt führt weiter in den Karl-Heine-Kanal. Hier durchqueren wir das auf Stelzen über dem Wasser errichtete “Riverboat”, bekannt aus der gleichnamigen MDR-Sendung. Gemütlich tuckert unser Kahn anschließend weiter die Wasserwege entlang. Dazu werden Kaffee und andere Getränke nach Wahl gereicht. Diese hat Kapitän Holger mitgebracht und sind bereits im Ticket inklusive. Na dann gönne ich mir mal ein “Scheelchen Heeßen”, wie man hier liebevoll auf sächsisch sagt.
Nach einem weiteren Abstecher zum Palmengartenwehr und Elstermühlgraben geht es zurück zum Ausgangspunkt unserer Tour am Bootshaus Klingerweg, wo die Fahrt nach entspannenden 70 Minuten Fahrzeit endet.
Und weiter geht’s per Bus auf Entdeckertour in Leipzig
Wieder zurück an Land geht es den bekannten Weg retour zur Haltestelle, an der ich zuvor auch ausgestiegen bin. Hier gönne ich mir noch eine kurze Pause, bevor ich meine Stadtrundfahrt durch Leipzig fortsetze. Gleich nebenan befindet sich das gemütliche Ladencafé „La chocolaterie“. Im lauschig begrünten Sommergarten genieße ich einen Hauch von Frankreich mitten in „klein Paris“, wie man Leipzig auch nennt. Die zwei Schokoladenkünsterlerinnen Isabelle und Alexandra wissen hier wunderbar mit allerlei süßen Leckereien zu verwöhnen. Gut gestärkt, erholt und glücklich von der leckeren Schokolade steige ich in den nächsten blau-gelben Doppeldecker der Stadtrundfahrt und setzte meine Tour durch die Messestadt fort. Vor mir liegen ja noch Highlights wie das Musikviertel, die Uni-Bibliothek Albertina, das Panometer Leipzig und natürlich das Völkerschlachtdenkmal. Aber dazu beim nächsten Mal mehr.